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Wer kennt es nicht, das Bild im Café, Restaurant, auf der Parkbank, oder in der Bahn, die Pärchen, Freunde und Familien sitzen beisammen und jeder starrt stumm auf sein Smartphone. Manche Gastronomen verbieten sogar mittlerweile Handys am Tisch, damit die Menschen wieder mehr miteinander reden. Eine nette Geste, wenn auch ein Kampf gegen Windmühlen.
Während der letzten zwei Jahrzehnte hat die Digitalisierung unsere Welt regelrecht umgebaut. Nichts funktioniert mehr ohne Internet. Ganze Wirtschaftsysteme bauen darauf und Social Media hat sich selbst in den letzten Winkeln der Erde breit gemacht.
Heutzutage hat fast jeder ein Smartphone, Tablet, Laptop oder andere technische Spielereien (oder mehrere), die uns unterm Strich mehrere Stunden am Tag beschäftigen, sei es im Rahmen der Arbeit oder als Freizeitbeschäftigung. Ständige Erreichbarkeit ist mittlerweile Standard und in vielen Berufen unausgesprochene Anforderung.
Stressfaktor Social Media
Mit alles und jedem in wenigen Sekunden vernetzt zu sein hat natürlich seinen Reiz. Influencer auf Instagram und YouTube verdienen ihr Geld damit möglichst viele Menschen zu erreichen, anzuleiten und ihre Meinung über Themen zu äußern, von denen sie eigentlich keine Ahnung haben.
Obwohl der Zugang zu Informationen dank Google niemals einfacher war, sind es gerade die jungen Menschen, die sich lieber berieseln lassen, vorgefertigte Ansichten vertreten und im Grunde alles tun, außer selbst nachzudenken. Das Internet hat die Toleranz und Offenheit einen gewaltigen Schritt nach vorne gebracht. Gleichzeitig schreiben sich Menschen die Finger wund, um wildfremde Menschen mit Hass-Botschaften zu überschütten.
Um das perfekte Image aufrecht zu erhalten, werden alle Register gezogen, ohne Rücksicht auf (eigene) Verluste. Gerade junge Mädchen und Frauen posten sich geradezu kaputt.
Durch den stetig steigenden Druck, steigt aber auch das Bedürfnis nach weniger. Weniger Informationsflut, weniger Datenmüll, weniger Nachrichten, die nach sofortiger Antwort verlangen, weniger 24/7 Erreichbarkeit, dafür mehr Ruhe, mehr Abstand.
Einen Schritt zurück
Begriff „digital detox“ („digitale Entgiftung“) beschreibt das bewusste Meiden von digitalen Einflüssen. Das bedeutet nicht, plötzlich als Eremit ohne Strom und Wasser leben zu müssen. Es können ein paar Tage ohne Handy sein, oder eine festgelegte Uhrzeit, ab der das Smartphone ausgeschaltet wird. Im Prinzip geht es nur darum, den Alltag zu entschleunigen, sich bewusst Zeit für sich zu nehmen, ohne pausenlos von Kurznachrichten, E-Mails oder Push-Mitteilungen abgelenkt zu werden. Entgiftung trifft den Kern der Sache gut, denn haben viele Dinge im Internet, von Hate-Kommentaren bis Falschinformationen, eine durchaus toxische Wirkung auf das Selbstbild und den Charakter.
Droge Social Media
Es gibt Menschen, vor allem jene Generationen, die in einer zunehmend in einer digitalen Gesellschaft aufgewachsen sind. Denen fällt es unheimlich schwer fällt ohne Handy auszukommen. Das geht so weit, dass es mittlerweile hunderte Millionen Menschen weltweit gibt, die Smartphone-süchtig sind.
Besonders Social Media stellen ein Risiko dar. Die schnelle Rückmeldung in Form von Likes und Kommentaren lässt das Gehirn Glückshormone in Form von Endorphinen freisetzen.
Bestätigung, Anerkennung, Freunde, alles Dinge, nach denen jeder Mensch ein natürliches Bedürfnis hat. Diese lassen sich online mit weit weniger Aufwand erreichen, als im echten Leben.
Auch wenn wir eigentlich wissen, dass das portraitierte Bild der Stars, Influencer und Trendsetter nicht der Realität entspricht. Die Meisten lassen sich trotzdem davon beeinflussen. Dieser Umstand führt nicht selten zu Selbstzweifel oder unrealistischen Anforderungen an sich selbst und andere.
Kritisch wird es vor allem dann, wenn die positiven Reaktionen ausbleiben oder gar ins Negative umschlagen. Eine Person, deren Selbstvertrauen direkt an die Beliebtheit auf Social Media gekoppelt ist und sich selbst darüber definiert, läuft Gefahr bei Kritik oder einem bösen Kommentar geradezu in eine persönliche Krise zu stürzen.
Wer von Zeit zu Zeit die „Verbindung trennt“, das Smartphone ausschaltet, die Stöpsel aus den Ohren nimmt und sich auf die wesentlichen Dinge konzentriert, der beugt dem digitalen Burnout vor.
Was bringt Digital Detox?
Digitale Entgiftung gewinnt bei wachsender Vernetzung immer mehr an Bedeutung. Egal ob ständige Erreichbarkeit, die Gewohnheit selbst unwichtigste Details posten zu müssen, das gutgläubige Preisgeben sensibler Informationen, das Tracken von Fitnessinformationen oder das ständige Spielen am Bildschirm… auf Dauer leidet die Gesundheit und die Psyche.
Zocker-Sucht gibt es nicht nur für online Games auf PC oder Konsole, sondern auch auf dem Handy. Soziale Kontakte werden genauso vernachlässigt und durch in-Game-Käufe können Spieler große Beträge an Geld ausgeben, um sich Vorteile zu erkaufen.
Bei Instagram & co. lassen sich zwar keine Likes käuflich erwerben, doch setzten ambitionierte Uploader alles daran, um ihre Bilder und Videos noch spektakulärer, ausgefallener, cooler oder einzigartiger zu machen, um positives Feedback anzuziehen. Manche begeben sich dafür sogar in Lebensgefahr.
Die größten Vorzüge der Entgiftung sind psychischer Natur, doch auch der Körper profitiert:
Die größten Vorzüge der Entgiftung sind psychischer Natur, doch auch der Körper profitiert:
- Stressreduktion: Der Alltag verlangt oft, ständig erreichbar, verfügbar und leistungsfähig zu sein. Der damit verbundene Druck kann auf Dauer zu psychischen Problemen führen, wie Schlafstörungen, Depressionen oder Burnout.
- Abstand gewinnen: Im Netz passiert alles ganz schnell und glauben auf alles sofort antworten und reagieren zu müssen. Eine Auszeit stoppt die Informationsflut und gibt uns die Möglichkeit, Dinge richtig zu verarbeiten und darüber nachzudenken. Daraus ergibt sich nicht selten ein ganz neuer Blickwinkel auf eine Situation oder ein Problem.
- Zeit für sich nehmen: Wer ständig am Smartphone hängt, hat wenig Zeit für anderes. Dinge wie Sport, Hobbies und soziale Kontakte kommen da oft zu kurz. Ein Spaziergang ohne Handy, im Garten ein Buch lesen oder etwas ausgefallenes Kochen sind nur ein paar Möglichkeiten, wie man sich einen kleinen mini digital Detox im Alltag nehmen kann.
- Gelassenheit: Viele nehmen gerade Kommentare auf social Media unnötig ernst. Meist stammen sie von völlig fremden Leuten, deren Meinung uns piep egal sein kann. Durch die digitale Abstinenz lernen wir wieder auf das Wesentliche zu achten, auf Lob und konstruktive Kritik von (echten) Freunden und Familie zu vertrauen.
- Selbstvertrauen: Man muss nicht rund um die Uhr erreichbar sein. Dieses Recht auf „time out“ für sich einzufordern, kann sehr befreiend sein und ist wichtig für das Wohlbefinden.
- Wohlbefinden: Es gibt unzählige Symptome, die Folgen von Dauerstress sind. Diese beinhalten Kopfschmerzen, Rückenprobleme, Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Appetitverlust und Hautprobleme. Bei Stressreduktion durch digital Detox lassen sie nach, oder verschwinden sogar ganz. Der Zusammenhang zwischen mentaler und körperlicher Gesundheit ist wissenschaftlich noch nicht ganz geklärt, aber er hat weitreichende Auswirkungen.
Wie mache ich digital Detox?
Die größte Ablenkung bildet meist das Smartphone, oder Tablet.
Am Anfang sollte jeder erst einmal darauf achten, wann er das Handy am meisten verwendet und wofür. Gibt es bestimmte Tageszeiten oder Situation, die mit vermehrter Nutzung verbunden sind? Welche Smartphone Aktivitäten sind mir am wichtigsten, auf welche könnte ich verzichten? Vernachlässige ich andere Aktivitäten zu Gunsten des Handys? Das sind Fragen, die sich jeder selbst stellen und beantworten kann. Das führt zu mehr Achtsamkeit und hilft schlechte Angewohnheiten zu erkennen.
Tipps & Tricks
Die einfachste Methode des digitalen Detox ist wohl das Ausschalten der Geräte. Wem das schwerfällt, der kann mit wenigen Stunden beginnen, oder erst einmal in den Flugmodus schalten.
Viele Apps werden selten oder gar nicht benutzt, trotzdem verschicken sie Push-Nachrichten. Durch das Minimieren der App-Anzahl oder das Entziehen von Berechtigungen können schon mal einige unnötige Mitteilungen eliminiert werden.
Ein anderer Ansatz ist das Festlegen einer bestimmten Uhrzeit, während der das Handy ausbleibt, so wird daraus in relativ kurzer Zeit ein Ritual. Zum Beispiel das Gerät ab sieben Uhr abends weglassen und die Zeit für Hobbies und Kochen verwenden, oder sich selbst etwas Gutes tun, wie ein heißes Bad nehmen.
Außerdem kann es hilfreich sein, sich handyfreie Zonen zu setzten. Das können Räume wie das Schlafzimmer sein, oder bestimmte Zeiten. Beispielsweise kein Handy während den Mahlzeiten, was besonders für Familien von Vorteil ist.
Natürlich gibt es auch die Radikalkur. Diese besteht aus zwei Wochen kaltem Entzug. Die Meisten wird es eher frustrieren und stressen, statt zu entspannen.
Einfach machen
Im Grunde gibt es kein richtig oder falsch beim digital Detox. Es geht nicht darum, sich zu bestrafen oder mit anderen zu wetteifern, wer am längsten durchhält. Vielmehr ist es eine Methode der Entlastung, des Stressabbaus und der(Rück)Besinnung. Plötzlich ohne Smartphone weiß so mancher nichts mit der Zeit anzufangen. Doch ergeben sich daraus auch die Möglichkeiten neue Dinge auszuprobieren, alte Hobbies wieder aufzupolieren. Oder auch einfach mal abzuschalten und nichts zu tun. Der Mensch existiert letztendlich in der physischen Welt, ist angewiesen auf zwischenmenschliche Beziehungen. Er kann auch dann nicht ins unerschöpfliche arbeiten, wenn er im 5G Netz surft. Die digitale Welt sollte dem Leben als Assistent dienen und nicht sein Vorgesetzter sein.